G. Delaloye: L’Évêque, la Réforme et les Valaisans

Cover
Titel
L’Évêque, la Réforme et les Valaisans.


Autor(en)
Delaloye, Gérard
Reihe
Cahier du Musée d’histoire du Valais, 9
Erschienen
Baden 2009: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
147 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hans Ulrich Jost, Section d'histoire, Universität von Lausanne

Gleich am Anfang dieser reich illustrierten Walliser Geschichte der Zeit vom 15. zum 18. Jahrhundert steht das Bild des Schlosses und der Brücke beim Engpasss von Saint-Maurice, der den Zugang zu diesem grossen Alpental beinahe hermetisch abschliesst. Ähnlich schwierig ist der Zugang zur Walliser Geschichte. Gérard Delaloye, Historiker und Journalist, versucht dem mit einer flüssig geschriebenen Darstellung abzuhelfen. Der Autor erhebt zwar nicht den Anspruch, in umfassendem Sinne eine neue Geschichte des Wallis vorzulegen. Es geht ihm vielmehr darum, die wichtigsten und zentralen Aspekte dieser Epochen in Erinnerung zu rufen, sie in einer in Bezug auf die heutige Zeit verständlichen Beleuchtung darzustellen und mit intelligenten Fragestellungen auf neue Interpretationsmöglichkeiten hinzuweisen. Ein zentraler Ansatz bildet dabei die bisher stark vernachlässigte, und wohl auch von den katholischen Autoren bisher bewusst unter den Scheffel gestellte Präsenz der Reformation, die trotz des letztendlichen Sieges des Katholizismus die Geschichte des Alpentales während gut zwei Jahrhunderten wesentlich zu prägen vermochte.

In den ersten acht Kapiteln geht es um die nicht selten chaotischen Auseinandersetzungen zwischen adeligen Führern, dominierenden Geschlechtern und den von Familienclans beherrschten Kommunen, sowie um die geopolitisch begünstigte internationale Stellung des Wallis. Zwar bilden sich in den gewalttätigen Spielen – bei denen die legendäre «Matze» die Illusion demokratischer Willensbildung erweckt – gewisse politische Strukturen heraus, doch sie vermitteln dem Wallis keine feste politische Form. Dem Autor gelingt es jedoch, gewisse dominierende Leitlinien herauszuarbeiten, wobei er insbesondere die mit dem Burgrecht von 1403 mit der Innerschweiz und Luzern eingeführte langfristige Verbindung herausstreicht. Daneben erläutert er aber auch das extrem variable Bündniswesen dieser Zeit, die entscheidenden Auseinandersetzungen mit Savoyen und das gelegentlich getrübte Zusammenspiel mit Bern. In den drei letzten Kapiteln dieses ersten Teils kommen auch die sich zwischen Papst, Habsburg, Mailand, Frankreich und dem Wallis einstellenden Beziehungen zur Sprache. Diese Probleme werden unter die treffende Formel «Salz und Söldner, die Diplomatie des Magens» gestellt. Die Ausführungen zu diesem Thema sind jedoch eher knapp gehalten und erfassen die wirtschaftliche Dimension nur ungenau.

Die zentrale, im Titel des Buches angetönte Thematik wird im zweiten Teil (Kapitel 9 bis 15) behandelt. Im Wallis wie anderswo erscheint die Reformation als komplexer sozialer und politischer Prozess, der den Historiker in oft wiedersprüchliche und zwiespältige Situationen hineinführt. Gérard Delaloye ist insbesondere von einer Walliser Form des Nicodemismus, d.h. der erstaunlich langlebigen Gruppe von Kryptoprotestanten, fasziniert. Es ist in der Tat beeindruckend, wie führende Familien, die ihre Kinder in die Schulen der protestantischen Orte schicken, ihren neuen Glauben unter einer katholischen Decke zu entwickeln vermochten. Selbst bei Bischof Hildebrand von Riedmatten, dessen Neffe Jakob einer der führenden Protestanten war, glaubt der Autor, eine dem neuen Glauben zugewandte Einstellung feststellen zu können. Die sich oft untergründig abspielenden Auseinandersetzungen zwischen Katholizismus und Neugläubigen werden jedoch von politischen Interessen entschieden überlagert, wobei es sowohl um die lokale Vorherrschaft wie auch um die mit dem Söldnerwesen verbundenen Aussenbeziehungen geht. Die hier vorgetragenen Fragestellungen verdienen jedenfalls, weiter verfolgt zu werden. Der letzte Teil der Studie beschreibt, unter dem Stichwort Modernisierung, wie die politische Struktur des Wallis sich im Laufe des 17. Jahrhunderts stabilisiert und schliesslich in ein barockes, aristokratisches Staatswesen mündet. Mehr als die katholische Reform, die im Wallis nur langsam vorankommt, spielen Handel und Politik eine entscheidende Rolle. Trotz Anpassung der Mehrheit an den katholischen Glauben verliert der Bischof endgültig seine schon eh eingeengte Macht. Dem Autor gelingt, unter Beizug interessanter Quellen, eine lebhafte Beschreibung dieses Prozesses, wobei er mit der Biographie von Michael Mageran exemplarisch den Aufstieg einer neuen Führungsschicht, die in Kaspar Jodok Stockalper kulminiert, in den Vordergrund rückt. So kommt die katholische Reform mit der neuen aristokratischen Herrschaft doch noch zum Durchbruch. Dabei ging es wohl alles in allem eher um opportunistische Taktik denn um tiefe Glaubenserfahrung.

Wenn diese Studie auch gelegentlich etwas feuilletonistisch wirkt, so gibt sie uns doch eine Reihe interessanter und geistreicher Interpretationen, die insgesamt die Geschichte des Wallis in einem neuen Licht erscheinen lassen. Für meinen Geschmack mangelt es ein wenig an «harten» Fakten zur Bevölkerung und zum Handel. Geschrieben für ein breites Publikum, wird sie möglicherweise mit ihren unkonventionellen Interpretationen den einen oder andern Spezialisten vor den Kopf stossen. Für die Historiographie des Wallis bringt sie jedoch erfrischend neue Ansätze, die, so ist zu hoffen, der Forschung einige neue Ideen vermitteln werden.

Zitierweise:
Hans-Ulrich Jost: Rezension zu: Gérard Delaloye: L’Évêque, la Réforme et les Valaisans. Baden, Hier+Jetzt / Sion, Musée d’histoire, 2009, (Cahier du Musée d’histoire du Valais, 9). Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 4, 2009, S. 462-463.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 4, 2009, S. 462-463.

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